
„Ich dachte, Du wolltest einmal ‚was richtig machen“: Der 14-jährige Flo (Banar Fadil) und die zwar um ein Jahr jüngere, aber geistig wesentlich reifere Schulkameradin Diesel (auch als Geräuschemacherin konstitutives Element des einstündigen Abends: Svenja Marija Topler) hängen in ihrer Freizeit ab. Wissen nicht so recht mit sich ‚was anzufangen, weshalb beide beschließen, in ein Lagerhaus einzubrechen.
Nicht, um etwas bestimmtes zu klauen. Es geht um die Mutprobe, einen Zaun zu übersteigen, durch ein „Rattenloch“ zu kriechen. Ja, nach Möglichkeit auch darum, die Kühlerfigur eines Jaguar abzutrennen. Bringt immerhin fünfzig Euro. Flo ist eher vorsichtig, was ihm sogleich die Schmähung „Arschgesicht“ einbringt, welche er wenig einfallsreich mit „Schlampe“ zu kontern weiß.
Als die Alarmanlage des britischen Luxusschlittens angeht, ist rascher Rückzug angesagt. Doch der Abend ist längst noch nicht gelaufen, als beide von einer Autobahnbrücke Steine herunterschmeißen, die sie zuvor an einem Bachbett aufgelesen haben…
Nach einem authentischen Fall haben Tom Lycos und Stefo Nantsou ihr atemberaubendes Stück „Stones“ geschrieben, in dem sie den Übergang vom Reiz des Verbotenen zur Erbärmlichkeit des nächsten Morgens zeigen und sich wie dem Zuschauer die Frage nach Schuld und Verantwortung stellen.
Katrin Herchenröther hat das mehrfach international ausgezeichnete Stück nun für alle ab 13 Jahren am Westfälischen Landestheater inszeniert mit zwei ungemein präsenten, auch körperlich stark geforderten Schauspielern in Anja Müllers geradezu artistische Leistungen provozierenden Bühnengestänge.
Banar Fadil und Svenja Marija Topler verwandeln sich in Windeseile – und im fliegenden Wechsel – von Kindern, die lautstark Aggressionsabbau betreiben, davon aber keinesfalls friedlicher werden, in die ermittelnden Polizisten Quandt und Rottner. Die Beamten diskutieren das Strafmaß durchaus kontrovers, haben dabei aber mit einem solchen Urteil nicht gerechnet: Freispruch.
„Stones“ fordert Fragen des (jugendlichen) Publikums heraus. Es sind dieselben Fragen, die sich der Anwalt der minderjährigen Täter, ihre Eltern, die Polizisten und nicht zuletzt der Richter stellen: Was soll mit Flo und Diesel geschehen? Sind sie für ihre Tat verantwortlich? Welche Strafe ist angemessen? Katrin Herchenröthers Inszenierung fordert das Publikum dazu auf, sich selber ein Bild zu machen.