
Nun sitzen sie am Tisch des elterlichen Einfamilienhauses in einer ungenannten Vorstadt, während sich ein Nachrichtensprecher vernehmen lässt, dass zwar die Serie von Brandanschlägen aus jüngster Zeit beendet scheint, dafür aber zwei Comichelden neue Aktionen angekündigt haben. Mutter Doris, Lehrerin für Französisch und Turnen, und Vater Wolfgang, Redakteur eines Fotografiejournals, sind zufrieden, dass ihrem studierenden Sohn nur noch die Abschlussarbeit fehlt.
Was keine Selbstverständlichkeit ist, sind beide Kinder doch seit geraumer Zeit in der Therapie. In Wahrheit hat David das Zimmer seiner Therapeutin „zerlegt“ und sich danach bei ihr nicht mehr blicken lassen. Während ihr Bruder für die Uni arbeiten musste, hat sich Judith mehr mit Paul („Der fickt wie ein Gott“) beschäftigt, Davids früherem Klassenkamerad und in vielfacher Hinsicht Freund des Hauses, der die Wirtschaftsuni bereits absolviert hat und nun als Angestellter bei einer Bank arbeitet.
Doch nun, da David der Fron des Paukens entkommen ist, wollen beide wieder gemeinsam der elterlichen „Schaumstoffzelle“ entkommen. Bald ist in den Nachrichten von einem „neuen Quereinsteigerduo auf der politischen Bühne“ die Rede. Weshalb Judith keine Zeit mehr für Paul hat, den David als „Integrations-Nutte“ beschimpft und dem von seiner Schwester nun plötzlich jede Adonis-Qualität abgesprochen wird.
Als Papa Wolfgang abgebaut wird und zum Coaching muss, nachdem der Juniorchef im Verlag das Sagen hat, beschließen die Eltern, sich bei einem Wellness-Urlaub zu erholen. Wenig später ist der Nachrichtensprecher zu vernehmen: das Thermenhotel „Wellnessdom“ in Bad Weikersdorf sei durch ein Bombenattentat zerstört worden. Und dann explodiert, in der 18. und letzten „Helden“-Szene, auch daheim die „Schaumstoffzelle“…
In der Inszenierung der Folkwang-Regieabsolventin Laura N. Junghanns am Bochumer Prinz Regent Theater schlüpfen die Helden-Darsteller auch in die Rollen der Eltern: Luca Zahn in die des Vaters mit im wahren Wortsinn affigen Imponiergehabe, Corinna Pohlmann in die der hysterischen, stets zurücksteckenden Mutter. Eine kluge Reduktion der 24-Jährigen: Ihre Inszenierung, die das Pferd von hinten aufzäumt, indem sie mit dem Anschlag auf das Thermenhotel beginnt, ist weit spannender als das Stück, dem ich eingestandernermaßen wenig abgewinnen kann. Und das wohl auch nur deshalb in den Prinz-Regent-Spielplan aufgenommen worden ist, weil die erste Spielzeit der neuen Intendantin Romy Schmidt unter dem Motto „Wir sind Helden“ steht.
„Die fühlen sich so sicher. Die fühlen sich alle so sicher. Wenn die wüssten. Wenn die wüssten, wo die Gefahr sitzt. Wo die sitzt. In ihren Wohnzimmern“: In der puscheligen Flokati-Ausstattung der Folkwang-Studentin Marina Sell Cajueiro sehnen sich die Kinder der saturiert-selbstzufriedenen 1968er Eltern nach dem Furor der wilden Apo-Zeit zurück: „Was soll ich noch tun, wenn meine Eltern schon alles versucht haben und trotzdem zu Arschlöchern wurden und die Welt vor die Hunde geht?“ Laura N. Junghanns‘ Mut, die innere Leere der beiden jungen Protagonisten nicht mit äußerem Aktionismus verkleistert zu haben, ist nicht hoch genug zu loben: sie lässt, um mit Daniel Libeskind zu sprechen, „Voids“ stehen, auch wenns dem Publikum schwer fällt, diese zu ertragen.