

Zwei Jahrzehnte prägte Digne M. Marcovicz (1934-2014) als Pressefotografin des Magazins „Der Spiegel“ den Blick auf das kulturelle Leben der Bundesrepublik. In den 1960er bis 1980er Jahren porträtierte sie u.a. Ernst Bloch im Gespräch mit Rudi Dutschke, Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Gerhard Richter – und Herbert Wehner, der sich 1981 in Recklinghausen Anti-Atomkraft-Demonstranten gegenübersah.
Zur Filmszene hatte sie einen besonderen Draht und fotografierte hinter den Kulissen u.a. Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Hanna Schygulla und Volker Schlöndorff. Welcher auf der Vernissage in bekannt-liebenswerter Bescheidenheit einige Anekdoten beisteuerte. Die Fotografin wollte mit ihren Aufnahmen den authentischen Moment festhalten, der einen Menschen oder ein Ereignis charakterisiert. Dabei legte sie wenig Wert auf Ästhetik um ihrer selbst willen. Ihre Bilder sollten vor allem lebensecht wirken und Geschichten transportieren. So lag es nahe, dass sie seit den 1980ern auch als Dokumentarfilmerin für eigene Projekte arbeitete.
Daneben schuf sie anspruchsvolle Bücher wie eine mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher ausgezeichnete Publikation über den Holocaust. Mit ihrer geistigen Intensität bei der Arbeit, der Beharrlichkeit im Verfolgen von Projekten, der handwerklichen Souveränität und ihrem sensiblen Gespür für Menschen schuf sie ein Werk, das mehr bietet als eine Ablichtung von Momenten der Zeitgeschichte.
Digne Meller Marcovicz stammte aus einer angesehenen Berliner Familie. Ihre Mutter Rahel-Maria Bontjes van Beek, geb. Weisbach, war eine für die damalige Zeit emanzipierte Frau, die bis 1935 erfolgreich als Innenarchitektin in Deutschland ihr Geld verdiente, bis die Nürnberger Rassengesetze ihr dies als Jüdin untersagten. Ihr Vater Jan Bontjes van Beek und ihre Halbschwester Cato wurden 1942 wegen ihrer Verbindung zum Widerstand („Rote Kapelle“) verhaftet und Cato in Plötzensee hingerichtet. Um so bemerkenswerter ist ein ganzes Konvolut von Aufnahmen Martin Heideggers, die 1966 und 1968 in Freiburg sowie auf seiner Hütte in Todtnauberg entstanden sind.
Digne M. Marcovicz studierte in München Fotografie. Seit 1961 arbeitete sie als freiberufliche Fotore-porterin und Journalistin für Zeitungen und Verlage. Von 1964 bis 1985 war sie „feste freie“ Foto-Journalistin beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Sie war Filmemacherin und Autorin. Ihr fotografisches Werk hat Digne M. Marcovicz der Bildagentur bpk der Stiftung Preußischer Kultur-besitz vermacht.
„Der ewige Augenblick“ nannte Digne M. Marcovicz ihr Buch, für das sie 2012 ihre Lieblingsbilder eines halben Jahrhunderts aus dem eigenen Archiv zusammentrug. Eine Auswahl ist in der Ausstellung zu sehen sowie einige ihrer Dokumentarfilme (Stresemannstraße 28 in Berlin-Kreuzberg, bis 11. März 2016, Di bis So 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei, Personalausweis erforderlich).