
Dieser mehr als 200.000 Jahre alte Schädel eines Waldnashorns, gefunden in der Dechenhöhle im Märkischen Kreis, trifft auf ein Nashorn in freier Wildbahn – eine der Gegenüberstellungen in der Ausstellung „Wildes Westfalen – tierische Fotos und Funde“ im Herner Archäologiemuseum.
Vor Tausenden von Jahren kreuzte schon mal ein Mammut den Weg der steinzeitlichen Jäger oder eine Rentierherde preschte durch die vorzeitliche Landschaft Westfalens. Heute ist es das Reh, das unverhofft die Autobahn kreuzt, der Bussard, der auf der Leitplanke sitzt oder das Wildschwein, das den frisch bestellten Garten durchwühlt.
„Wild“ ist Westfalen damals wie heute, zumindest mit Blick auf die Tierlandschaft. Die Ausstellung „Wildes Westfalen“ betrachtet seine tierische Vergangenheit und Gegenwart auf etwas andere Weise im Westfälischen Museum für Archäologie. Bis zum 29. Mai 2018 stehen sich zum Beispiel das neuzeitliche, in Naturfotografien festgehaltene Wildschwein und sein in Bronze gegossenes frühgeschichtliches Gegenstück Auge in Auge gegenüber.
Vögel waren vor fast 2.800 Jahren nicht nur begehrte Rohstofflieferanten, sondern hatten auch eine kultische Funktion. Auf der Urne von Gevelinghausen, die für das Begräbnis der verbrannten Überreste eines Mannes diente, begleiten die Vögel die Sonne bei ihrer symbolischen Lebensreise. Auch heute faszinieren die geflügelten Tiere die Menschen. Gerade in Westfalen haben etwa die Tauben als „Rennpferd des kleines Mannes“ eine ganz eigene Kultur im Industriezeitalter von Bergbau und Stahlwerken begründet.
Die Zähne der Höhlenbären und Höhlenlöwen waren erwiesenermaßen begehrter Schmuck für die ersten Westfalen – in Ausgrabungen finden sich immer wieder akkurat durchbohrte Exemplare dieser längst ausgestorbenen Tiersorten. Noch heute schmücken aus Horn, Tierzähnen oder Tierknochen geschnitzte Talismane die Hälse der Menschen, die in Westfalen durch die Einkaufszonen bummeln oder mit den Straßenbahnen auf dem Weg zur Arbeit sind.
Den Anstoß für die Ausstellung gab der verstorbene Altertumsforscher Prof. Dr. Torsten Capelle. „Er beschäftigte sich mit einem Begleitbuch für die Dauerausstellung im LWL-Museum für Archäologie zum Thema der wilden Tiere – ein Vorhaben, das durch seinen Tod leider nicht mehr zum Abschluss kam und nun sowohl in dieser Sonderausstellung als auch in dem im Vorfeld veranstalteten Forschungskolloquium in seinem Andenken fortgeführt wird“, betont Dr. Aurelia Dickers als Vorsitzende der Altertumskommission für Westfalen.
Dass fast zeitgleich der Naturschutzbund mit seinem Stadtverband auf das Landesmuseum in Herne zuging und den Vorschlag für eine Fotoausstellung unterbreitete, machte den Weg frei für eine außergewöhnliche Kooperation von Archäologie und Naturfotografie. „Wir beschreiten damit ungewöhnliche Wege, um Archäologie und moderne künstlerische Aspekte zusammenzuführen und damit neue Einblicke auf vermeintlich bekannte Themen zu ermöglichen“, schildert Museumsleiter Dr. Josef Mühlenbrock.
Auch für die Fotogruppe des Nabu ist eine derartige Gegenüberstellung eine echte Premiere: „Eine spannende Herausforderung, der wir uns mit unseren Tierfotografien gern stellen“, betont Norbert Kilimann als Vorstandsvorsitzender des Nabu-Stadtverbandes Herne e. V. Möglich wurde die Sonderausstellung durch die Unterstützung des Fördervereins des Museums am Europaplatz. Das Archäologiemuseum hat folgende Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 9-17, Do 9-19, Sa, So, Feiertage 11-18 Uhr. Eine Kuratorenführung findet am Sonntag, 17. Januar 2019, um 16 Uhr statt. Auf einen festen Eintrittspreis wird verzichtet. Dafür steht am Ende der Ausstellung ein Sparschwein bereit. Der Erlös wird zwischen dem Förderverein des Museums und dem Nabu Herne aufgeteilt.