
In seinem Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ geht es nur vordergründig um ein zerdeppertes Gefäß, eigentlich steht das Verhalten des Dorfrichters Adam selbst zur Verhandlung. Den in der Inszenierung des Hausherrn Anselm Weber mit dem Kölner „Tatort“- Kommissar Dietmar Bär ein sehr ensembledienlicher TV-Star am Schauspielhaus Bochum verkörpert.
Raimund Bauers Bühne ist ein Schlachtfeld. Die Welt zu Huisum ist aus den Fugen geraten: das Mobiliar wie vom Sturm durcheinander gewirbelt, der ganze Boden der Gerichtsstube, deren holzgetäfelten Wände auf halber Höhe zwischen Bühne und Schnürboden hängengeblieben sind, bedeckt mit Papierfetzen. Eine verzweifelte Eve steht an der Rampe: Übers Jahr soll Hochzeit sein mit Ruprecht. Aber der muss zur Miliz, und die wird, sagt Dorfrichter Adam, demnächst in die ferne holländische Kolonie Batavia abkommandiert.
Wenn nicht besagter Adam, der sich allmählich aus einem Papierhaufen schält mit gewaltiger Wunde auf dem nackten, perückenlosen Schädel, eingreift zu Gunsten ihres Verlobten. Der Richter, nur im Hemd und noch recht benommen von den Ereignissen der Nacht, blickt dennoch freundlich aus den Augen, die Eves anklagende Schilderung zu bestätigen scheinen…
Anselm Webers hundertminütige Inszenierung stellt die Sachlage von vornherein klar, der Focus des folgenden, aus Eves Perspektive erzählten Geschehens richtet sich auf den Dorfrichter Adam. Wobei längst auch der Bürohengst von Schreiber Licht (Roland Riebeling) mehr als nur ein Auge auf das von der aktuellen Bochumer Theaterpreis-Trägerin Sarah Grunert gespielte Mädchen geworfen hat, welche sich der städtisch-elegante Beau von Gerichtsrat Walter (den kulinarischen und sonstigen Genüssen des Lebens sehr zugetan: Marco Massafra) gar mit einem Beutel voller Dukaten gefügig machen will.
So stringent haben wir den „Krug“ in Bochum noch nicht gesehen. Bis auf die kokette Magd (szenische Miniaturen: Xenia Snagowski), welche zu Beginn den Augiasstall ausmistet, um dann ständig um den jungen, chicen Gerichtsrat Walter herum zu scharwenzeln, und Anke Zillichs resolute Frau Brigitte bleibt den weiteren Figuren wie Matthias Redlhammers Veit Tümpel, Nils Kreutingers Ruprecht und Katharina Linders Marthe Rull kein Raum zur Profilierung. Der Schluss ist zwar nicht von Kleist, macht aber Sinn: das Volk hat jedes Vertrauen in die Obrigkeit verloren.