Als die attraktive und eigensinnige Staatsanwältin Iris Hermann (äußerlich kaum wiederzuerkennen: Veronica Ferres mit kurzen braunen Haaren als kühle, ehrgeizige und geschiedene Mittdreißigerin) in einem heiklen Fall von Tötung auf Verlangen ermittelt, lernt sie in der Uniklinik den Arzt Dr. Ruben Costa (Merab Ninidze) kennen und verbringt eine Nacht mit ihm. Costa will sie wiedersehen, aber Iris weist ihn brüsk zurück (Ich bin nicht einsam, ich bin öfter mal allein).
Die Karrierefrau, deren Leben bisher äußerst gradlinig verlaufen ist, läßt sich durch gewisse motorische Störungen nicht aus der Ruhe bringen und glaubt, diese auch weiterhin ignorieren zu können, als sie auch nach Monaten nicht verschwunden sind, sondern sich im Gegenteil sogar noch verschlimmert haben. Wozu auch ihr betagter Hausarzt (Osman Ragheb), der seine Irisette seit ihren Kindertagen kennt, beiträgt: Lieber Gott, schütze mich vor Hypochondern mit Internetzugang.
Nach einem schlimmen Hustenanfall vor Gericht wird Iris in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sich herausstellt, daß sie an der tödlichen ALS-Lähmung leidet, der unweigerlich zum Erstickungstod führenden Amyotrophen Lateralsklerose. Aus der stets ihre eigene Unabhängigkeit betonenden Selfmade-Karrierefrau wird in gar nicht so ferner Zeit eine pflegebedürftige Patientin: Nach dieser niederschmetternden Diagnose vermag sie nur ihr Vater Hermann (Michael Gwisdeck ganz in seinem Element als skurriler Alt-68er) ein wenig zu trösten.
Doch Iris beschließt, ihr Leben einfach weiter zu leben, als gäbe es diese Krankheit nicht. Beruflich kann sie dieses Vorhaben jedoch nicht durchsetzen, die Staatsanwältin wird aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt. Iris sucht Costa, den sie für den Schuldigen an ihrer Beurlaubung hält, zu Hause auf. Dort trifft sie auf dessen 13jährigen, querschnittsgelähmten Sohn Max (Ausbund an Lebensfreude: Frederick Lau), der alles über Iris und ihre Krankheit zu wissen scheint.
Und der sein eigenes Schicksal, bei dem Autounfall, der ihn in den Rollstuhl verbannte, kam überdies seine Mutter zu Tode, angenommen hat: Max ist beweglicher als manch anderer auf eigenen Beinen, und das nicht nur beim Einkauf im Supermarkt. Die beiden freunden sich an. Sein größter Wunsch ist es, einmal auf Bakunin, Iris dem Jähzorn zuneigenden Wildpferd, zu reiten. Als der Hengst mit Max durchgeht, wird die Erfüllung seines Wunsches zum Alptraum: Zwar kommt er mit dem Schrecken davon, aber Iris ist nach einem Beinbruch nun ebenfalls an den Rollstuhl gefesselt.
Und der eh über seine Lebensumstände arg verbitterte Costa, den die beiden von ihrem Vorhaben nicht eingeweiht hatten, verbietet seinem Sohn jeden Umgang mit Iris. Dennoch gelingt es am Ende allen Protagonisten, so etwas wie eine neue Familie zu gründen. Ein Gefühl, das Iris lange vermißt, ja eigentlich nie richtig kennengelernt hat. Und ein Gefühl, das den Tod überdauern wird…
Roland Suso Richter (14 Tage lebenslänglich) hat Veronika Ferres in seinem TV- Melodram Sterne leuchten auch am Tag die Möglichkeit gegeben, sich von herrschenden Klischees freizuspielen, was der für manche Kritiker zu blonden, zu attraktiven Charakterdarstellerin (Die Braut, Die Manns, Bobby, Annas Heimkehr), die in einigen Gazetten immer noch unter der Rubrik Solinger Kartoffelwarenhändlerstochter firmiert, auch eindrucksvoll gelungen ist.
Dabei ist die rührselige Story selbst eher konventionell, will sagen: mit Klischees behaftet, gebaut und von Martin Langer hinter der Kamera ebenso konventionell, will sagen: mit schönen Interieurs und stimmungsvoll-herbstlichen Landschaften, bebildert.
Richard Reitinger (Buch), Roland Suso Richter (Regie)
Sterne leuchten auch am Tag
Telefilm Saar c/o ZDF, Arte Deutschland 2004