Diese Frage stellt sich jetzt bei der Free-TV-Premiere naturgemäß nur für einen kleinen, wenn auch jetzt in der Vorweihnachtszeit wachsenden Kreis von Besitzern 3-D-fähiger Hardware in den eigenen vier Wänden. Kameramann Robert Richardson sind jedenfalls suggestive Bilder gelungen, die das Publikum gleich in der ersten von insgesamt leider nur 126 Minuten in die düsteren, unheilschwangeren Katakomben des gewaltig dimensionierten Pariser Bahnhofs Montparnasse hineinziehen, um es nur wenige Augenblicke später hinaufzuführen in schwindelerregende Höhen unter die Dächer der winterlich verschneiten Seine-Metropole.
„Hugo Cabret“ ist zugleich ein wundervoller Abenteuerfilm für die ganze Familie. In bester Charles-Dickens-Manier wird die anrührende Geschichte zweier Waisenkinder, des zwölfjährigen Titelhelden (Asa Butterfield) und seiner um wenige Jahre älteren Freundin Isabelle (Chloe Grace Moretz), erzählt. Die allen Widrigkeiten des Lebens und speziell den übellaunigen, ihnen nur Übles wollenden Erwachsenen wie Hugos versoffenem und noch dazu brutalem Onkel Claude (Ray Winstone) oder dem verschlagenen, ob seiner Kriegsverletzung verbitterten Bahnhofs-Wachmann Gustav (Sacha Baron Cohen) und seiner Riesen-Dogge Maximilian trotzen. Und einem Geheimnis auf die Spur kommen, das das Leben aller Beteiligten auf im wahren Wortsinn magische Weise verändert.
„Hugo Cabret“ schließlich ist, als herrlich nostalgische Liebeserklärung an das Kino, ein absolutes Muss für alle Cineasten, die neben dem großen Vergnügen auch die intellektuelle Herausforderung zu schätzen wissen. Zum einen, weil die Geschichte im Jahr 1931 spielt und Co-Produzent Martin Scorsese weder Kosten noch Mühen gescheut hat, die ausgehenden Roaring Twenties ins opulenteste Licht zu rücken. Zum anderen, weil der Regisseur Scorsese, der durch seine Filmsprache und seinen Erzählstil das moderne Kino weit über die Grenzen Amerikas hinaus wie kein Zweiter geprägt hat, den Pionieren der Filmgeschichte seine Reverenz erweist mit einer sehr persönlichen Hommage aus Anspielungen, szenischen Querverweisen und unmittelbarem dokumentarischem Material, in deren Mittelpunkt der französische Illusionist, Theaterbesitzer und Filmregisseur Georges Melies steht.
Um nicht zu viel zu verraten nur noch dies: Hugos Vater (Jude Law) ist ein talentierter Uhrmacher gewesen, der bei einem Brand ums Leben gekommen ist. Und seinem Sohn nur eine kaputte metallene Roboter-Figur und ein Notizbuch mit rätselhaften Zeichnungen hinterlassen hat, sodass Hugo für eine schäbige Unterkunft in den qualmenden, stinkenden Eingeweiden des bis in die späten Abendstunden brodelnden Gare Montparnasse und ein wenig Essen die harte, ja halsbrecherisch-gefährliche Arbeit seines versoffenen Onkels verrichten muss – die tägliche Wartung der zahllosen Bahnhofsuhren. Dabei würde sich Hugo viel lieber den mechanischen Spielzeugen des alten Trödlers Monsieur Georges (Ben Kingsley) widmen. Zumal er hofft, hier den herzförmigen Schlüssel zu finden, mit dem er die Mechanik des von ihm mittlerweile reparierten menschenähnlichen Automaten in Gang setzen kann…
„Die Entdeckung des Hugo Cabret“ strahlt Sat 1 als Free-TV-Premiere aus am Montag, 15. Dezember 2014, um 20.15 Uhr.
Wie die Alten sungen…
Aus der unübersichtlichen Vielfalt der Weihnachtsfilme empfehlen wir ein Defa-Schmankerl von Günter Reisch mit DDR-Legende Erwin Geschonnek aus dem Jahr 1987: „Wie die Alten sungen“, zu sehen am Mittwoch, 17. Dezember 2014, um 12.30 Uhr im „Dritten“ des Mitteldeutschen Rundfunks MDR.
Walter Lörke (Erwin Geschonnek) steht wieder ein turbulenter Heiliger Abend ins Haus. Aus dem aufrecht sozialistischen Arbeitsdirektor des Dresdener VEB „13. August“ ist nicht nur ein Pensionär geworden, sondern auch ein Großvater. Der vieles längst nicht mehr so eng sieht wie damals, anno 1961, wo ihn seine Kinder Anne und Karl ganz schön auf Trab gehalten haben.
Leider kann er seine nun zur Uroma gewordene Schwiegermutter (Mathilde Danegger) nicht mehr länger daheim versorgen, holt sie aber ganz selbstverständlich zum Familienfest der Freude aus dem Feierabendheim nach Hause. Dafür kümmert sich die rüstige Nachbarin Hildegard Klinkenhöfer (Marianne Wünscher) rührend um ihn, seitdem sie selbst Witwe geworden ist. Und Opa Lörke lässt sich herzlich gerne verwöhnen.
Und von seiner 17jährigen Enkelin Maria, genannt Twini (Andrea Lüdke), Tochter von Anne (Karin Schröder) und Thomas Ostermann (Arno Wyzniewski), um den kaum vorhandenen (Oberlippen-) Bart streichen: Sie ist gerade in einer sehr schwierigen Phase und daheim ausgezogen. Wofür Papa Thomas, einst der Rebell schlechthin, gar kein Verständnis aufbringt.
„Ihr Kinderlein kommet in Lörke sein Stall…“: Daran hat sich seit einem Vierteljahrhundert nichts geändert. Twini, die nun in einer Wohngemeinschaft lebt und alle Hände voll zu tun hat, den Kerlen Manieren beizubringen, schleppt gleich zwei von dieser Sorte an: King (Karsten Speck), der sie unter allen Umständen heiraten will, und Klucke (Dirk Wäger), von dem sie ein Kind erwartet. Zum Entsetzen ihrer Mutter Anne, die, zu ihrer Beruhigung, erst von ihrem Vater an die Parallelität der Ereignisse 25 Jahre zuvor erinnert werden muss.
Der weihnachtliche Konsumstress hat eher noch zugenommen, was den beiden anderen Enkeln (Robert Berth und Heiko Kohlhagen), die Sohn Karl (Günter Junghans) zeugte, naturgemäß nichts ausmacht: Sie sind es, die nun Opas Weihnachtsbaum auf sehr unkonventionelle Weise schmücken. Und die Uroma hat dabei gar nichts mehr zu meckern.
Dafür macht sich Opa Lörke Sorgen. Dem das Dreieck zwischen Twini („Ich bin eben zwei“), Kindsvater Klucke und Freund King gar nicht behagt, weshalb er sich in der Heiligen Nacht erneut auf die Socken macht. Und in der Kneipe nicht nur wieder auf den renitenten Fleischer (Gerd Ehlers) trifft, sondern auch auf dessen völlig hilflosen Sohn (Wolfgang Hosfeld). Zum guten Schluss, der etwas klattrig gerät mit Panflöten-Kitsch und mexikanischer Folklore, taucht auch noch Kluckes flotte Mutter (Barbara Dittus) auf…
Es ist wohl bisher einmalig in der Kinogeschichte, dass die Fortsetzung eines Films 25 Jahre später mit beinahe der gleichen Besetzung (Walter Jupe war inzwischen gestorben) gedreht werden konnte und so auch zu einem Stück Dresden-Historie, ja auch DDR-Zeitgeschichte geworden ist. Wobei Günter Reisch für seinen letzten Defa-Film, die Wende hat danach weitere Projekte zunichte gemacht, den jungen DDR-Schriftsteller Hans Weber als Ko-Autor gewann, mit dem er die Handlung unter ständigem Bezug zum Vorgängerstreifen „Ach, du fröhliche…“, entsprechende Schwarzweiß-Sequenzen sind in den Farbfilm geschnitten worden, weiterentwickelt hat.