Auch in Zukunft werden internationale Künstler für das Kesselhaus einmal im Jahr eine neue ortsspezifische Intervention realisieren. Im Jahr 2011 erwarb ein deutsch-schweizerisches Ehepaar, der Banker Burkhard Varnholt und die Architektin Salome Grisard, das bis 2005 genutzte Gebäude-Ensemble der ehemaligen Kindl-Brauerei mitten im Neuköllner Rollberg-Viertel mit dem Ziel, es für die zeitgenössische Kulturproduktion nutzbar zu machen.
Der denkmalgeschützte Klinkerbau, bereits 2007 im Fokus der Öffentlichkeit anlässlich der singulären, zehnstündigen „Wallenstein“-Inszenierung Peter Steins mit dem Berliner Ensemble in der Leerguthalle, wurde zwischen 1926 und 1930 in Anlehnung an den deutschen Expressionismus in rotem Backstein errichtet. Es umfasst neben einem siebengeschossigen Turm das 20 Meter hohe Kesselhaus, ein mit sechs kupfernen Pfannen ausgestattetes Sudhaus und ein dreigeschossiges Maschinenhaus.
In dem insgesamt 5.500 qm umfassenden Gebäude-Komplex soll, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rollberg-Kino der engagierten Yorck-Gruppe, das Kindl-Zentrum für zeitgenössische Kunst entstehen. Das Sudhaus mit seinen sechs riesigen Kupferkesseln, einst die größten Sudpfannen Europas, wird ab Sommer 2015 als Café „König Otto“ zum Verweilen einladen, auf dem Vorplatz der Brauerei entsteht unter Platanen ein abgesenkter Biergarten. Das ehemalige Maschinenhaus soll dann auf drei Etagen Raum für monografische und thematische Ausstellungen internationaler Gegenwartskunst bieten. Außerdem entstehen hier Flächen für kulturelle Veranstaltungen verschiedenster Art.
Der 38 Meter hohe, schlanke Turm schließlich ist als Ort der Produktion mit Büros, einem Fotolabor und Künstlerateliers vorgesehen. Die künstlerische Leitung hat der Schweizer Kurator und Kunstkritiker Andreas Fiedler übernommen, der zuvor u.a. im Helmhaus Zürich, in den Kunstmuseen Solothurn und Luzern sowie als Lehrbeauftragter am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern tätig war.
Roman Signer: Kitfox Experimental
Roman Signer, der als einer der innovativsten Bildhauer unserer Zeit gilt spätestens nach seiner Beteiligung an der documenta 8 in Kassel, wo er 1987 streng geordnete Papierstapel mit Sprengladungen in Sekunden auflöste, hat für eine kaum weniger spektakuläre Eröffnung des Kindl-Zentrums gesorgt.
„Kitfox Experimental“ bezeichnet einen bestimmten Flugzeugtyp, der vom Künstler für seine Installation verwendet worden ist: „Etwa vier Meter über dem Boden hängt ein Flugzeug mit der Nase nach unten“, so Signer. „Ein Sportflugzeug. Dann hat es an den Wänden starke Ventilatoren, die das Flugzeug in Bewegung versetzen, denn es hängt an einem Gelenk, das sich sehr leicht drehen lässt. Der Wind soll dieses Flugzeug also in eine Drehung versetzen, so, als ob es in einem Sturzflug drehend nach unten stürzen würde.“
Die konkrete, physische Erfahrung wird für Roman Signer zur unabdingbaren Komponente seiner Arbeit. Die charakteristische Geräuschkulisse der beiden Ventilatoren und das sich unablässig drehende, ohne Motor 200 Kilogramm schwere Flugzeug entwickeln einen räumlichen Sog, dem man sich nicht entziehen kann – gleichzeitig meditativ und beklemmend, überwältigend und bedrohlich.
Zur Installation ist in Kooperation mit dem Kunstmuseum St. Gallen ein Katalog (34 Euro) erschienen, der als eigentliches Lesebuch angelegt ist und erstmals Texte versammelt aus verschiedenen Zeiten von mehreren Autoren zu ganz unterschiedlichen Themenfeldern in Signers Schaffen, zu dem auch seine Beteiligung an der Skulptur 1997 Münster gehört.