
Die 1911 in Dresden uraufgeführte „Komödie für Musik“ von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss beginnt im Bett der Feldmarschallin (Paradepartie für die in ihrer unbändigen Lebenslust wie im verstandesgemäßen Verzicht anrührende und stimmlich einmal mehr überzeugende Sopranistin Petra Schmidt). Die 32-Jährige hat mit ihrem um einiges jüngeren Liebhaber Octavian (mit Ovationen gefeierter Gast aus Bremen: Nadja Stefanoff) die Nacht verbracht – und prophezeit ihm das baldige Ende der Liaison: Nicht ihr Mann, der in einem fernen Krieg weilt, sondern die übermächtige Zeit werde sie trennen.
Die Abschiedsstunde schlägt schneller als erwartet, als Octavian sich in die junge Sophie von Faninal verliebt (vollendeter Liebreiz: Alfia Kamalovas glockenheller Sopran beglückt uns vor allem am Ende des dritten Aktes im schier überirdischen Duett mit Nadja Stefanoffs ausdrucksstarkem Mezzo).
Die Tochter des äußerst wohlhabenden, frisch geadelten Herrn von Faninal (Thomas Möwes) soll den finanziell ruinierten, tumb-ruralen Baron Ochs von Lerchenau (umjubelte Rückkehr nach zwei Jahren ins MiR-Ensemble: der so stimmgewaltige wie spielfreudige Bass Michael Tews) heiraten, der Octavian als brautwerbender „Rosenkavalier“ angeheuert hat.
Und gleichzeitig besagtem jungen Mann, als Fräulein „Marianderl“ verkleidet, in aller unverfrorenen Heftigkeit eines adligen Grobians nachstellt. Der kaum Zwanzigjährige führt, rasch mit Sophie einig, den Ochs aufs Glatteis und lässt so zugleich die zwischen Faninal und dem Baron vereinbarte Geschäftsbeziehung,
Der Österreicher Philipp Harnoncourt inszeniert Komödienstadl in einer Ausstattung des 20. Jahrhunderts: Im mittels Drehscheibe beweglichen Guckkasten-Kubus macht sich Octavian erst gar keine Gedanken um die skandalträchtige Aufdeckung seiner wahren (geschlechtlichen) Identität, sondern zieht als eher schrilles denn fesches Wiener Madel unserer Tage gleich alle Register beim alten Lustknaben Ochs: Cosi fan tutti.
Und E. Mark Murphys Valzacchi sorgt für eine ganz aktuelle – und nicht zuletzt in den von Genossen beherrschten Rathäusern des Reviers argwöhnisch beobachtete – Realsatire, indem er ein WAZ-Exemplar als „swarze Seitung“ in die Höhe hält.
Während die drei Spießgesellen des Lerchenauers, offenbar nicht nur materiell verarmter Landadel, Shakespeares „Twelfth Night“ entsprungen sein könnten, stürmt nach dem Fechtduell zwischen Ochs und Octavian ein Notarzt unserer Tage auf die Bühne und eine Putzfrau steht mit leichtgängigem Wischmob-Set parat, um die Bretter sogleich von Blut, Schweiß und Tränen zu befreien.
Szenisch ist allerhand los in diesem Kubus voller Narren, zunächst auch musikalisch. Dann aber nimmt Rasmus Baumann am Pult seine anfänglich allzu sehr auftrumpfenden Philharmoniker zurück, sodass Bichette, Quin quin & Co nicht mehr mit dem Graben konkurrieren müssen.