

Straßenszene in Paris. Eine elegante, aber vor allem aufsehenerregende Frau stöckelt in das Straßencafe einer Nobelherberge, wo ihr wenig später ein Brief ausgehändigt wird. Die Initialen A. P. verraten der Adressatin, Elise Clifton Ward (eine Schönheit, wenn auch alles andere als mysteriös: Angelina Jolie), dass es sich um eine Nachricht ihres Geliebten Alexander Pearce handelt. Der nicht nur dem britischen Finanzministerium Millionen schuldet, weshalb er untergetaucht ist.
Sehr zum Verdruss von Inspektor John Acheson (Paul Bettany), der die Briefübergabe von einem Fahrzeug der französischen Polizei aus verfolgt und die Live-Bilder sogleich zu seinem Dienstherrn nach London übermittelt, Chefinspektor Jones von Scotland Yard (der ehemalige James Bond-Darsteller Timothy Dalton verkörpert hier eher den Typ Schreibtisch-Beamter). Gerüchten zufolge hat Pearce viel Geld von seinem Schweizer Konto für einen chirurgischen Eingriff genommen, der sein Aussehen erheblich verändert hat. Weshalb erst einmal der Überbringer der Nachricht in Haft genommen wird – vorübergehend.
So setzt sich Elise mit dem Zug in Richtung Venedig in Bewegung mit dem ausdrücklichen Ziel, unterwegs die Bekanntschaft eines fremden Mannes zu machen, der in Größe, Statur und Habitus der gesuchte Pearce sein könnte. Um dessen ärgsten Verfolger Acheson, einem offenbar von persönlichen Motiven getriebenen Perfektionisten, auf eine falsche Fährte zu locken. Unfreiwillig gerät so der eher unbedarft wirkende amerikanische Mathematiklehrer Frank Tupelo (Johnny Depp gibt sich große Mühe, einen „Hypernormalo“ zu mimen) ins Fadenkreuz der Polizei – und eines gewissen Reginald Shaw (Steven Berkoff), der sich zwar wie ein russischer Mafiaboss geriert, in Wirklichkeit aber als treuer Untertan ihrer Majestät nur hinter den unterschlagenen Millionen seines Privatbankers her ist…
Die eher hausbackene und scheinbar vorhersehbare Story gewinnt erst nach gut einer Stunde an Fahrt, was aber nicht ins Gewicht fällt: Zwei schöne Menschen in der schönsten Stadt der Welt, von Kameramann John Seale in schönsten Sehnsuchtsbildern auf Cinemascope-Format ausgebreitet. Romantik pur in herrlichsten Interieurs, gedreht an Originalschauplätzen wie dem Hotel Danieli unweit San Marco, des Palazzo Pisani Moretta am Canale Grande mit direktem Blick auf die Rialto-Brücke oder der Villa Effe auf der Laguneninsel Giudecca, allesamt dem Normalsterblichen unzugänglich.
„The Tourist“ macht also seinem Namen alle Ehre, offeriert aber auch ordentlich Action für die Genrekino-Freunde: Die Flucht Frank Tupelos über die Dächer der Lagunenstadt oder die nächtliche Verfolgungsjagd durch die Kanäle sind spektakuläre Hollywood-Szenen, wie sie keine behäbig-deutsche Donna Leon-Verfilmung zustande bringen kann. Was naturgemäß am Budget liegt, aber auch daran, daß es hierzulande an einem so exzellenten Stuntchoreographen wie Simon Crane mangelt.
Unter dem Strich bleibt „The Tourist“, am Sonntag, 16. Juni, um 20.15 Uhr bei Pro Sieben zu sehen als Free-TV-Premiere, gute, wenn auch nicht überdurchschnittliche Unterhaltung mit zwei Stars, zwischen denen nur scheinbar der Funken nicht überspringt. Aber das versteht nur der, der das Ende versteht. Was längst nicht von allen deutschen Kritikern behauptet werden kann.
Ulrich Mühe als „Hölder“
Frankfurt am Main in der Silvesternacht auf das Jahr 1796. Der junge, geniale, aus Jenaer Zeiten mit Friedrich Schiller gut bekannte Dichter Friedrich Hölderlin (Ulrich Mühe) tritt seine Stellung als Hofmeister im Hause des Bankiers Jakob Gontard (Michael Gwisdek) und seiner Gattin Susette (Jenny Gröllmann) an. Er solle sich vor allem um den Jüngsten kümmern, den einzigen Sohn und also Stammhalter, gibt ihm der Hausherr zu verstehen. Die älteren Schwestern dagegen könne er ruhig vernachlässigen: Mädchen wie überhaupt die Frauen machten sich nur Grillen von zu viel Belesenheit.
Hölderlin lässt sich gern von der Dame des Hauses hofieren – und zur gemeinsamen Hausmusik bitten, wenn der vielbeschäftigte Bankier beruflich außer Haus ist. Umso bitterer stößt es ihm auf, wenn Jakob Gontard seinen Hofmeister barsch in die Schranken des Gesindes verweist und ihn bei Empfängen in den Weinkeller schickt, um Nachschub zu holen.
Nur wenn sein Studienfreund Isaac von Sinclair (Peter-Mario Grau) zu Besuch kommt, blüht Hölderlin auf. Zusammen mit dem landgräflichen Regierungsbeamten kann er seinen Träumen von der Gründung einer Süddeutschen Republik nachhängen und ausgiebig in Erinnerungen an revolutionäre Studentenutopien schwelgen. Beide sind insgeheim hocherfreut, als die Franzosen vor der Stadt stehen.
„Hölder“ begleitet als männlicher Beschützer die Familie Gontard nach Hamburg zu einem Bruder des Hausherrn, der in Frankfurt zurückbleibt. Der Tross kommt jedoch etwa auf halber Strecke zum Stillstand: In landschaftlicher Idylle (gedreht wurde im Landschaftspark Wörlitz) und freigeistiger Atmosphäre, für die der Gastgeber (Rolf Hoppe), ein sachkundiger Liebhaber der Antike, sorgt, kommen sich Susette und Friedrich endgültig näher. Aus der zarten, dann immer leidenschaftlicheren Romanze entwickelt sich für beide „die“ Liebe ihres Lebens…
Der in dem Zeitraum von zehn Jahren zwischen 1796 und 1806 angesiedelte Film „Hälfte des Lebens“, zu sehen am Donnerstag, 20. Juni, um 23.35 Uhr im MDR-Fernsehen, ist ein sorgfältig recherchierter Historien-Ausstattungsstreifen von 1984 in gewohnt guter handwerklicher Defa-Qualität mit leicht elegischem Unterton, wofür weniger die Darsteller als die Kamera (Günter Jaeuthe) und die zumeist klassische Musik (Georg Katzer) sorgen.
Was den Film heute ins Blickfeld rücken lässt, ist die Besetzung der beiden zentralen Rollen: Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe („Das Leben der Anderen“) waren Mitte der 80er Jahre ein Ehepaar und führten wie einst auch Corinna Harfouch und Michael Gwisdek eine – bezogen auf das Künstlermilieu auch jenseits von Mauer und Stacheldraht – mustergültige Beziehung. Kurz bevor Jenny Gröllmann starb, sah sich die bereits von schwerer Krankheit Gezeichnete mit Vorwürfen, sie habe im Auftrag der DDR-Staatssicherheit als „Informeller Mitarbeiter“ ihren damaligen Gatten Ulrich Mühe ausspioniert, konfrontiert. Was sie sozusagen bis zum letzten Atemzug bestritten hat – eine Tragik, die der in „Hälfte des Lebens“ geschilderten mindestens gleichkommt.