

Mit fünfzehn sieht Alice Ovitz, Tochter eines Pariser Apothekers, ihren ersten Woody-Allen-Film – und es ist Liebe auf den ersten Blick. Alles, was sie danach über das Leben wissen will, wird Alice mit dem berühmten Filmemacher aus New York besprechen. Sie hängt ein riesiges Poster mit Woodys Konterfei in ihrem Mädchenzimmer auf, und mit dem hält sie Zwiesprache, wann immer sie nicht mehr weiter weiß. Von seinen Antworten wird sie eigentlich nie enttäuscht – anders als von ihren Eltern, ihrer Schwester oder ihren Klassenkameraden.
Zu besprechen gibt es mit dem Stadtneurotiker also mehr als genug, zumal Alice (Alice Taglioni) hundertprozentig Woodys Überzeugung teilt, dass das Leben voller Leid, Krankheit und Schmerz ist – und zu kurz übrigens auch. Zum Beispiel Jungs. Mit denen läuft es schon während der Schulzeit nicht besonders gut: Auf Feten ist es immer ihre Schwester Helene (Marine Delterme), die im Mittelpunkt steht, weshalb für Alice nur die Rolle des Mauerblümchens bleibt. Als sie während des Studiums endlich einen Typen kennenlernt, der sich für sie interessiert, ist ihr Glück von extrem kurzer Dauer. Denn noch am selben Abend lernt Pierre (Louis-Do de Lencquesaing) auch Helene kennen – und 15 Jahre später sind die beiden schon ewig verheiratet, haben eine Teenagertochter und führen scheinbar die perfekte Ehe.
Alice hingegen ist immer noch Single, übernimmt von ihrem Vater (Michael Aumont) dessen florierende Apotheke und kümmert sich mehr um das Wohl ihrer Kunden, denen sie zwecks Stimmungsaufhellung schon mal eine Woody-Allen-DVD zusteckt, als um ihr eigenes Glück. Denn an ihren katastrophalen Männerbeziehungen hat sich nichts geändert. Nach außen hin macht es Alice nicht viel aus, dass sie mit Mitte 30 immer noch Single ist, aber ihre Eltern und ihre Schwester würden sie lieber heute als morgen mit dem Mann fürs Leben verkuppeln. Doch alle Versuche scheitern – sei es an Alices Lustlosigkeit oder an den Neurosen ihrer Bekanntschaften. Es scheint, als lebe die junge Frau ganz zufrieden nach der Woody-Allen-Maxime, dass sie nie in einen Club aufgenommen werden möchte, der Leute wie sie als Mitglieder aufnimmt.
Da lernt Alice auf einer Party gleich zwei sehr unterschiedliche Männer kennen: Vincent (Yannick Soulier) und Victor (Patrick Bruel). Vincent ist der älteste Freund ihres Schwagers, weltgewandt und beherzt, er kennt Woody Allen, liebt Cole Porter und verführt Alice nach allen Regeln der Kunst. Victor hingegen ist ein Zyniker, hat noch nie einen Film von Woody Allen gesehen, scheint sich nicht für die Liebe zu interessieren und lebt offenbar nur für seinen Beruf als Experte für Alarmanlagen. Mit Victor kann Alice nach Herzenslust diskutieren und streiten, doch tiefergehende Gefühle? Fehlanzeige. Glaubt sie zumindest. Mit Vincent hingegen scheint sie eine Lebensweisheit von Woody Allen in die Tat umzusetzen: Liebe ist die Antwort, aber während man auf die wartet, entstehen durch Sex einige hübsche Fragen.
Bitter sind allerdings die Wahrheiten, denen Alice in den Wochen danach ins Auge sehen muss – etwa, dass ihre Mutter (Marie-Christine Adam) im Lauf ihrer Ehe zur Alkoholikerin geworden ist und dass ihre Schwester offensichtlich von ihrem Mann betrogen wird. Sind Paarbeziehungen, wie Woody einmal sagte, am Ende doch nur ein Versuch, zu zweit mit den Problemen fertig zu werden, die man alleine nie gehabt hätte? Egal, sie sind das wahre Leben, und dem, das erkennt Alice endlich, sollte man sich stellen, bevor es zu spät ist. Als Vincent sie einlädt, mit dem Orient-Express nach Venedig zu fahren, wird ihr klar, dass das komische Kribbeln, das sie immer am ganzen Körper spürt, wenn sie an Victor denkt, Liebe ist und dass sie nicht etwa die Masern kriegt.
Sophie Lellouches Komödie „Paris-Manhattan“ zeigt das VHS-Filmforum in der Filmwelt am Berliner Platz am Sonntag, 16. Juni, um 11 Uhr, am Montag, 17. Juni, um 17.30 Uhr sowie am Mittwoch, 19. Juni, um 20.15 Uhr.
Max Beckmann – Departure
Wer nicht die Möglichkeit hat, ‚mal eben nach New York ins MoMa zu jetten oder im Centre Pompidou in Paris vorbeizuschauen, kann auch hierzulande fündig werden, in Hamburg zum Beispiel. Oder direkt um die Ecke im Essener Folkwang-Museum. So wie jetzt auf der Kinoleinwand aber hat man Max Beckmanns Werke noch nicht zu Gesicht bekommen, und das hat keineswegs in erster Linie mit dem Format zu tun, das in manchen Lichtspielhäusern, in denen Michael Trabitzschs Biopic gezeigt wird, eh‘ nicht mit den gigantischen Projektionsflächen der Multiplexe konkurrieren kann.
Was übrigens schade ist, denn der 1954 in Neumünster zur Welt gekommene Dokumentarfilmer, ein Spezialist für Biographien, weiß, wie man Kunstwerke ins rechte Licht rückt. Trabitzsch hat in „Max Beckmann – Departure“, der zweite Titel bezieht sich auf das vielleicht berühmteste Triptychon Beckmanns, historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen verwendet und lässt auch den Maler selbst zu Wort kommen in seinen Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, dem Roland Hemmo als Sprecher seine Stimme leiht. Ansonsten vertraut der Filmemacher binnen 93 Minuten vor allem auf prominente Kunsthistoriker wie den ehemaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe M. Schneede, welche nicht nur die zumeist großformatigen Gemälde auf möglichst allgemeinverständliche Weise beschreiben und erläutern, sondern auch ihre eigene, ganz individuelle Beziehung zu dem jeweiligen Werk offenbaren. Was bisweilen durchaus der spannendere Teil ist. „Max Beckmann – Departure“ läuft am Freitag, 14. Juni, im Bochumer Kino Endstation an.
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In die Verlängerung gegangen sind in der Filmwelt Herne „The Big Wedding“, „Die wilde Zeit“ in der Schauburg Dortmund und „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ mit Wotan Wilke Möhring im Casablanca Bochum, in der Dortmunder Schauburg und im Essener Luna.