Lübeck, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die alteingesessene Kaufmannsfamilie von Konsul Jean Buddenbrook (Armin Mueller-Stahl) und Konsulin Bethsy (Iris Berben) hat im Getreidehandel ihr Glück gemacht und genießt, gesellschaftlich anerkannt, mit ihren drei Kindern Thomas (die große Verantwortung als Bürde: Mark Waschke), Christian (selbstgerecht und selbstmitleidig: August Diehl) und Tony (forever young: Jessica Schwarz reißt alles heraus) das Leben einer wohlhabenden Patrizierfamilie in der aufstrebenden Wirtschaftsmetropole.
Im Universum der Buddenbrooks ist seit Generationen das Private mit dem Geschäftlichen untrennbar verbunden, Familie und Firma sind eins. So sind die Lebenswege der drei Erben vorgezeichnet: Die Söhne werden Kaufleute zum Wohl der Firma, Tochter Tony heiratet standesgemäß.
Als der Patriarch Jean stirbt, beginnt der Stern der Familie Buddenbrook langsam zu sinken. Die lebensfrohe Tony hat ihre große Liebe zum Medizinstudenten Morten (Alexander Fehling) der Familientradition geopfert und sich dem Vater zuliebe in die Ehe mit dem Hamburger Kaufmann Grünlich (Justus von Dohnányi) gefügt, später schlägt auch eine zweite Verbindung mit dem Münchner Brauereibesitzer Alois Permaneder (Martin Feifel) fehl.
Christian, der jüngere Sohn, ist den Anforderungen eines Lebens nach Art der Buddenbrooks nicht gewachsen und flüchtet sich in vielfache Zerstreuung und amouröse Abenteuer etwa mit der Künstlerin Aline (Nina Proll). Nur Thomas versucht mit aller Kraft, das Geschäft zusammenzuhalten und den Wohlstand seiner Familie zu bewahren. An seiner Seite mit Gerda (Léa Bosco) eine schöne Frau, die er aus Amsterdam mitgebracht hat und die für Aufsehen in der Lübecker Gesellschaft sorgt. Aber sie fühlt sich zunehmend fremd, lebt nur für ihre Musik und gibt diese Liebe zum Entsetzen ihres Gatten auch an den Stammhalter und potentiellen Erben Hanno (Raban Bieling) weiter, der für den Kaufmannsberuf völlig ungeeignet scheint.
Und über allem schwebt der alte, ‚mal freundschaftlich, ‚mal heftig ausgetragene Wettbewerb der konkurrierenden Kaufmannsfamilien Buddenbrook, Möllendorpf (großartig: Josef Ostendorf und Sunnyi Melles) und Hagenström. Die einst strahlende Patrizierdynastie zerbricht langsam, am Lebenskonflikt zwischen geschäftlichen Interessen und Streben nach persönlichem Glück, aber auch an den Anforderungen einer neuen Zeit…
Heinrich Breloer kann kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er mit den genuinen Mitteln des Mediums Film die Effekte verstärkt. So wird sowohl die im Roman eher episodische Rolle des Leutnant von Trotha (Max von Pufendorf) als auch die des Blumenmädchens Anna (Maja Schöne) spektakulär aufgebauscht. Mit zwei grundlegenden Veränderungen kann kein Thomas Mann-Leser einverstanden sein: Die Verschiebung des Zentrums von Thomas Buddenbrook auf „Frau Permaneder“ sowie der Tod des Stammhalters Hanno. Der beginnt bereits mit seiner Geburt und setzt sich, als „Roter Faden“ des langsamen Niedergangs der Kaufmanns-Dynastie, durch den ganzen Roman hindurch fort. Im Film dagegen stirbt Hanno einen so plötzlichen wie läppischen Tod – in Folge eines Bootsunfalls auf dem Wasser und der anschließenden Erkältung.
Shutter Island
Seekrank auch ohne (sichtbaren) Seegang: US-Marshall Teddy Daniels (härter denn je: Leonardo DiCaprio entledigt sich seines Milchgesicht-Images auf eindrucksvolle Weise) „kann so viel Wasser nicht vertragen“, wie er seinem neuen, aus der Provinz stammenden Mitarbeiter Chuck Aule (Mark Ruffalo), für den er nichts weniger als eine lebende Legende darstellt, anvertraut.
Wir schreiben das Jahr 1954 und der „Kalte Krieg“ zwischen den noch zehn Jahre zuvor gegen die Nazis verbündeten West-Alliierten und der Sowjetunion steuert seinem Höhepunkt entgegen. Es sind die Wellen des Atlantiks vor der Küste Bostons, die Teddy zu schaffen machen auf einem Polizeiboot, das die beiden Ermittler auf die Gefängnisinsel Shutter Island bringt.
Wo kriminelle Geisteskranke im absolut fluchtsicheren Ashecliffe Hospital behandelt werden, die ganz schweren Fälle auf Station C, die sich in einem alten Fort aus der Bürgerkriegszeit befindet, abgeschirmt wie der legendäre Stammheimer Hochsicherheitstrakt während der Stuttgarter RAF-Prozesse. Dennoch ist mit Rachel Solando eine psychisch gestörte, vielfache Kindsmörderin entkommen, die sich noch auf der Insel befinden muß. Die beiden Marshalls sollen den Fall aufklären und die Wachmannschaft bei der Suche nach der aus einer abgeschlossenen Zelle Entflohenen unterstützen.
„Als wäre sie durch die Wände verdunstet“: Dr. Crawley (auch bei Scorsese auf finstere Bösewichte abonniert: Ben Kingsley), der distinguierte Leiter der Anstalt, empfängt die Kriminalbeamten mit Whisky, Zigarren und Mahler-Musik von der Schallplatte. Und kann ihnen schon bald, noch bevor ein Hurrican mit der angekündigten Windstärke fünf über das Eiland tobt, die verlorene Insassin Rachel präsentieren. Auftrag erledigt?
Nicht wirklich. Rachel, die dem von Alpträumen geplagten Teddy Daniels gleich in zwei Inkarnationen (Patricia Clarkson und Emily Mortimer) zusetzt, bestärkt ihn in seinem Verdacht, auf dieser Insel gehe nichts mit rechten Dingen zu. Der von Chuck stets „Boß“ genannte Daniels fühlt sich beobachtet, bedroht, gar unter Drogen gesetzt – und fühlt sich für alles verantwortlich. Für die Leichenberge etwa, die ihn des Nachts im Schlaf verfolgen, seit er als junger G.I. bei der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau mit dem Grauen konfrontiert wurde. Vor allem aber für den Erstickungstod seiner Gattin Dolores (Michelle Williams), die nach einem Brand starb. Gehört der Brandstifter Andrew Laeddis zu den Insassen des Ashecliffe Hospitals?
Teddy Daniels hofft, in die Geheimnisse der Gefängnisinsel vordringen zu können, indem er sich das Chaos nach den Verwüstungen des Hurricans zunutze macht und zusammen mit Chuck Aule die berüchtigte Station C betritt. Wo er mit George Noyce (Jackie Eartle Haley) nicht mit einem hinter Gittern eingeschlossenen Patienten, sondern auch mit einem Gesicht aus seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird. Und mit dem Psychiater Dr. Naehring (Max von Sydow) auf einen ehemaligen Nazi trifft, der seine fürchterlichen Menschenexperimente, mit denen er in den Konzentrationslagern begann, nun hier in den USA fortsetzt in der festen Überzeugung, damit der Menschheit einen großen Dienst zu erweisen…
„Shutter Island“ bedient alle Fans des Horrorthrills mit einer Spannung, die bis zum Schluss noch steigerungsfähig bleibt, ebenso wie ein cineastisch interessiertes und idealerweise vorgebildetes Publikum durch zahllose kleine Verweise etwa auf Hitchcock und Tourneur. Meisterhaft, nicht wie vielfach zu lesen war: altmeisterlich, gelingt es Scorsese, der nur innerhalb von vier Tagen spielenden Handlung einer durch Rückblenden, Halluzinationen und Phantasievorstellungen dermaßen vielfach verwobene Erzählstruktur zu geben, dass das Publikum allein schon durch das furiose Spiel der Zeit- und Wirklichkeitsebenen gefangen ist.
Und hineingezogen wird in eine schaurige Welt der Gruften, Höhlen, klaustrophobischen Gefängnisgänge und Zellen, Friedhöfe, Ratten und (halluzinierten) Un-Toten, welche der zweifache Oscar-Preisträger Robert Richardsohn („JFK“, „Aviator“) mittels des heute als schrill empfundenen Spektrums der frühen Technicolor-Farben auch optisch in den Fünfziger Jahren ansiedelt, indem Scorseses „Szenen aus der Erinnerung“ auf Kodachrome gedreht worden sind.