
41 Jahre hat General Henrik (Ernst Alisch) auf diesen Moment gewartet: Sein einziger Freund, Hauptmann Konrad (Peter Harting), besucht ihn in seinem hochherrschaftlichen, aber nach dem Tod der Gattin Krisztina verlassenen Gut bei Wien.
Es geschah nach einem gemeinsamen Jagdausflug: Konrad verschwand über Nacht und Krisztina sprach nie mehr auch nur ein einziges Wort mit ihrem Gatten Henrik. Was war damals geschehen? Der General setzt alles auf diese Begegnung mit Konrad, die nach so langer Zeit die Wahrheit ans Licht befördern soll.
Sandor Marai (1900-1989) beschwört in seinem 1942 entstandenen Roman Die Glut, in dem die beiden Männer mit ihrem Leben, ihrer Freundschaft und ihren ungestillten Sehnsüchten abrechnen, noch einmal das untergegangene Kakanien, die Habsburger Doppelmonarchie, herauf.
Knut Boesers Bühnenfassung, Mitte Oktober 2002 von Ingoh Brux am Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert, ist eine doppelte Hommage an den erst posthum wiederentdeckten altösterreichisch-ungarischen Autor Sandor Marai, der zweimal aus seinem Land, vor den Nazis und vor den Kommunisten, in die USA flüchten musste.
Und zugleich an den großartigen Schauspieler Ernst Alisch, der seit vierzig Jahren auf den Brettern, die ihm die Welt bedeuten, steht und dem der gut 75minütige, hochspannende Abend am Düsseldorfer Gustaf-Gründgens-Platz allein gehört.
In der auf verblüffend einfache Weise wandlungsfähigen Einheitsbühne von Gerhard Benz hockt Henrik wie die Spinne im Netz. Der wohlhabende Ex-General, ganz Militär vom Scheitel bis zur Sohle, hat sich die Rolle des Anklägers zugedacht.
Doch er wird mehr und mehr ein Angeklagter, und die ausladende Tafel des Schlosses wider Erwarten zum Beichtstuhl. Acht Jahre lang, bis zu ihrem Tod, hat Krisztina kein einziges Wort mehr mit Henrik gesprochen. Sie blieb bei ihm, aus Dankbarkeit und nicht aus Liebe. Seither hat Henrik das Schloß gemieden und ein heruntergekommenes Jagdhaus bezogen, liebevoll umsorgt von Nini (Eva Müller), der Enkelin seiner Amme.
Doch auch in seinem Gegenüber, dem er die Opferrolle zudachte, hat sich Hendrik getäuscht. Denn Konrad, eine freigeistige, geistvolle Künstlernatur, der Musik und allen anderen schönen Dingen des Lebens zugetan, so einst auch der Gattin des Freundes, Krisztina, verweigert die Antwort auf die erste von zwei Fragen: Hat Krisztina gewusst, dass Konrad ihren Gatten in einem günstigen Moment, getarnt als Jagdunfall, erschießen wollte?
Konrad, der die Jahrzehnte nach dem letztlich doch nicht vollzogenen unerhörten Vorfall selbstzerstörerisch in den Tropen verbrachte und nun in London lebt, beantwortet nur die zweite Frage, die nach dem Sinn des Lebens: Es ist die Leidenschaft allein.
75 Minuten hochspannendes, großes Schauspielertheater und ein enormer Publikumserfolg in Düsseldorf.