Road-Movie auf dem Theater: Christian Kracht ist nach seinem Erzähler-Debut Faserland (1995) mit seinen 36 Jahren bereits so etwas wie die Vaterfigur unserer Pop-Literaten von Florian Illies bis Benjamin von Stuckrad-Barre. In seinem 2001 erschienenen (Kult-) Roman 1979 schickt er seinen namenlosen Helden, einen deutschen Innenarchitekten, auf eine sehr merkwürdige Reise.
Sie beginnt in der iranischen Hauptstadt Teheran am Vorabend der Revolution, wo ein internationaler Jetset die letzte Nacht des Schahs feiert, führt zu einem heiligen Berg nach Tibet, den er in einem Sühne-Ritual umrundet, und endet in einem chinesischen Gefangenenlager. Dort züchtet er Maden in den eigenen Fäkalien als überlebensnotwendige Eiweißgrundierung der dünnen Wassersuppe und behauptet von sich, ein guter Gefangener geworden zu sein.
Dazwischen Szenen im Flugzeug, im Auto, im Bus, zu Fuß oder auf dem Rücken eines Esels: Eine aberwitzig-groteske, finstere und zugleich bisweilen auch komische Abenteuergeschichte zwischen weltlich-dekadentem Hedonismus (die Nobel-Treter von Berluti gehören nur mit Champagner geputzt) und aufkommendem religiösen Fundamentalismus (Läuterung durch Selbsterniedrigung).
Obwohl Bochums Intendant Matthias Hartmann, der zusammen mit dem Dramaturgen Andreas Erdmann die Bühnenfassung schuf und diese Mitte März 2003 in Reinhild Hoffmanns früherer Dependance Zeche 1 ur-inszenierte, bekundet hat, der Roman 1979 handele von der Immunschwäche der westlichen Kultur und ihrer Auslöschungssehnsucht, ist er nicht der Versuchung einer moralinsauren Polit-Allegorie auf aktuelle Kriegs-Verhältnisse in Afghanistan, Irak oder anderswo erlegen.
Technik, die begeistert: Mit einem etwa gegenüber Besses Direktoren noch erheblich verfeinerten, perfektionierten Einsatz der Video-Technik inszeniert er die Geschichte auch in der klaren, schnörkellosen Sprache so, wie Christian Kracht sie erzählt hat. Mit nur drei Schauspielern, die nicht nur alle Figuren spielen, von denen es auf 180 Romanseiten insgesamt 250 geben soll, sondern auch noch wechselweise in die Rolle des Erzählers und Kommentators schlüpfen: Lucas Gregorowicz, Oliver Masucci und Maik Solbach. Und einem exzellenten Musiker, der bereits bei Neil LaButes Einordnen/Ausflug für eine spannungsreiche Klangspur gesorgt hat: Karsten Riedel.
Making-Of eines B-Movies: Diese ungewöhnliche, jedoch immer wieder auch in albernen Slapstick abgleitende Produktion weckt binnen zweier Stunden allzu häufig mehr Interesse für die Herstellung der eindrucksvollen Live-Videobilder als für die arg konstruiert erscheinende Geschichte.