Raimunda (Penelope Cruz) bewohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann Paco (Antonio de la Torre) und ihrer halbwüchsigen Tochter Paula (Yohana Cobo) ein bescheidenes Apartment in einem Madrider Arbeiterviertel. Sie ist wahrhaft keine Frau, die leicht an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gerät, doch momentan wächst ihr alles über den Kopf.
Stürmischer Wind auf dem Friedhof ihres Heimatdorfes weit draußen in La Mancha, Pedro Almodovars dolle Volver-Eingangssequenz, macht die Säuberungsarbeiten am Grab der vor vier Jahren verstorbenen Eltern zur sisyphushaften Tortur und der Besuch bei der alten und kranken Tante Paula (Chus Lampreave) auf dem Land zusammen mit ihrer Schwester Sole (Lola Duenas) kann die Stimmung auch nicht heben.
Zumal Paco gerade mal wieder seinen Job verloren hat und keine Anstalten macht, sich einen neuen zu suchen, weshalb Raimunda ganz alleine dafür sorgen muß, dass der Laden läuft als Putzfrau mit gleich mehreren Mini-Jobs hintereinander.
Als Raimunda eines Abends abgekämpft nach Hause kommt, wartet Paula, offenbar mit den Nerven am Ende, draußen vor der Tür auf ihre Mutter: Paco liegt in seinem Blut tot auf den Küchenfliesen, erstochen von Paula, die sich nicht anders zu helfen wusste gegen seine sexuellen Übergriffe.
Was tun? Raimunda kommt zu pass, dass sie auf das verwaiste, zum Verkauf anstehende Restaurant eines Nachbarn acht geben soll. So landet Paco als verschnürtes Paket kurzerhand in der Gefriertruhe. Noch in der gleichen Nacht erreicht Raimunda die Nachricht vom Tod der Tante. Sie kann jetzt unmöglich zur Beerdigung fahren, Schwester Sole muß das allein übernehmen.
Die wird im Dorf mit geradezu abenteuerlichen Gerüchten konfrontiert: Im Haus der Verstorbenen soll der Geist Irenes, Raimundas und Soles verstorbener Mutter, gewirkt haben, um ihrer altersschwachen und geistesverwirrten Schwester den Haushalt zu führen. Sole nimmt das alles von der lockeren Seite und kehrt nach Madrid zurück.
Wo sie seltsame Klopfzeichen aus dem Kofferraum ihrs Autos wahrnimmt. Und dann eine ihr wohlbekannte Stimme: Es ist die ihrer Mutter Irene (Carmen Maura), die einen sehr lebendigen Eindruck macht, als sie aus dem Kofferraum klettert. Ein Gespenst, das sich im folgenden nützlich macht, indem es Sole etwa bei ihrer Heimarbeit, einem illegalen Friseursalon, als angebliche Russin zur Hand geht.
Raimunda bekommt zum Glück von all dem nichts mit, denn sie hat andere Sorgen: Zur Beköstigung eines 30köpfigen Filmteams hat sie das Restaurant wieder geöffnet und muß schleunigst die Gefriertruhe samt Inhalt entsorgen. Kaum ist das mit Hilfe einer liebenswerten Hure von nebenan geschehen, taucht aus dem fernen Heimatdorf Agustina (Blanca Portillo) auf, die sich in Madrid einer Krebsoperation unterziehen muß. Die frühere Nachbarstochter, die sich in den letzten Jahren rührend um Tante Paula gekümmert hat und, wie das ganze abergläubische Dorf, fest an Irenes Geistererscheinung glaubt, bringt mit einer kleinen Bitte einen großen Stein ins Rollen: Raimunda soll sich im Zwiegespräch mit dem Geist über den Verbleib von Agustinas Mutter, die in der gleichen Nacht spurlos verschwand, als Raimundas und Soles Eltern bei einem Brand ums Leben kamen, erkundigen.
Und diese Frage führt immer tiefer in die drei Generationen überspannende gemeinsame Vergangenheit der Frauen hinein, die sich erst ganz am Ende völlig erhellt: Volver, der Titel des neuen Films von Pedro Almodovar, heißt deutsch übersetzt Zurückkehren.
Volver ist nach Mala Educacion Schlechte Erziehung, wo fast ausschließlich Männer die Hauptrollen spielen, ein reiner Frauenfilm. Was nicht nur an der Story liegt, für die Almodovar in Cannes den Drehbuch-Preis abräumte, und von der hier nicht alles verraten werden soll. Sondern vor allem auch an der herausragenden, in Cannes kollektiv als bestes weibliches Ensemble geadelten Besetzung.
Mit einer zweifelsohne wunderschönen Penelope Cruz, die von Almodovar nach zwei Nebenrollen in Live Flesh Mit Haut und Haar und Alles über meine Mutter erstmals mit einer Hauptrolle bedacht worden ist und nun ihr ganzes schauspielerisches Können eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Was auch für die Rückkehr Carmen Mauras gilt, Almodovars einstiger Muse und Star seines inzwischen legendären Frühwerkes (Das Kloster zum heiligen Wahnsinn, Womit habe ich das verdient?, Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs): Nach 17jähriger Leinwand-Pause spielt sie die Mutter von Almodovars aktueller Muse und das bei aller persönlicher Pikanterie, die hier einfach mal unterstellt wird, grandios.
Pedro Almodovar über seinen Film: Volver bedeutet für mich eine Rückkehr in mehrerer Hinsicht. Ich bin wieder etwas mehr in Richtung Komödie zurückgekehrt. Ich bin zum weiblichen Universum zurückgekehrt. Ich bin nach La Mancha zurückgekehrt und Volver ist zweifelsohne derjenige meiner Filme, dem man am stärksten meine Herkunft ansieht: die Sprache, die Sitten, die Hinterhöfe, die Nüchternheit der Fassaden, die gepflasterten Straßen. Ich habe wieder mit Carmen Maura gearbeitet, zum ersten Mal seit 17 Jahren, mit Penelope Cruz, Lola Duenas und Chus Lampreave. Ich bin zur Mutterschaft, diesem Ursprung des Lebens und der Fiktion, zurückgekehrt. Und natürlich bin ich zu meiner Mutter zurückgekehrt. Nach La Mancha zurückkehren, bedeutet immer eine Rückkehr zur Mutterbrust.
Pedro Almodovar (Buch und Regie)
Volver
El Deseo Agustin Almodovar c/o Canal + Espana, TVE Spanien 2006