

Should I Stay Or Should I Go rockt Eileen Hall vor 800 begeisterten Zuhörern im natürlich restlos ausverkauften plüschigen Academy of Music Theatre im amerikanischen Northampton. Das Echo für die mit 92 Jahren älteste Sängerin, die ihren letzten Auslandsauftritt übrigends vor nicht weniger enthusiasmiertem Publikum in Berlin hatte, ist eindeutig: Stay!!!
[email protected] ist ein Chor wie kein anderer, vom Mittfünfziger Bob Cilman, dem Executive Director des Northampton Arts Council, gegründet und geleitet. Die unartigen Rentner aus Northampton, Massachusetts, sind zwischen 75 und 92 Jahre alt, und wo immer sie auf der ganzen Welt auftreten, sind ihnen begeisterte Zuhörer und Kritiken sicher. In einem Alter, in dem die meisten entweder schon tot sind oder ihre Tage im Altersheim fristen, bringen diese Un-Ruheständler mit Rocksongs von den Ramones, Jimi Hendrix und Radiohead ihr Publikum zum Rasen.
Der Londoner Dokfilmregisseur Stephen Walker, der bisher vor allem für die BBC und Channel 4 gearbeitet hat, begleitete den Chor vor zwei Jahren über viele Wochen bei der Vorbereitung eines neuen Programms. Seine erste Dokumentation in Spielfilmlänge, zugleich auch Walkers Debüt als Produzent, schlug bei Festivals beiderseits des Großen Teichs ein wie eine Bombe und erobert nun auch den europäischen Kontinent.
[email protected] ist eine grandiose Mischung aus dokumentarischen Beobachtungen mitten im Probengeschehen und bei einigen Sängern dahem und musikalischem Theater, das durch speziell für den Film gedrehte Musikvideos ergänzt wird, in denen der Chor seine Versionen von I Wanna Be Sedated (Ramones), Stayin‘ Alive (Bee Gees), Road to Nowhere (Talking Heads) und Golden Years (David Bowie) zum Besten gibt – gesungen von alten Menschen an ungewöhnlichen Schauplätzen.
Da ist etwa der 75jährige Stan Goldman, der an Wirbelsäulenstenose leidet und sich an James Browns I Feel Good abmüht bis seine Textzeilen bei der Premiere on stage endlich sitzen. Oder die 83jährige Ururgroßmutter Dora Morrow, die ihn dabei begleitet. Und der 86jährige Lenny Fontaine, der als ehemaliger Kampfpilot aus dem Zweiten Weltkrieg noch über so gute Augen verfügt, daß er andere Chormitglieder im eigenen Auto zu den Proben kutschiert. Sein Solo-Auftritt mit Jimi Hendrix‘ Purple Haze haut das Publikum jedesmal aus den Socken.
Liebe und Sex, Verlust der Jugend, Einsamkeit, Krankheit und insbesondere Tod: Kein Tabu bleibt ungebrochen, keine Wahrheit ungesagt. Auch die nicht, daß zwei der beliebtesten langjährigen Mitglieder des Chors die große Premiere in Northampton nicht mehr miterleben. Obwohl alle geschockt sind und trauern, geht die Show weiter. Forever Young singen sie für Bob Salvini im Knast, da gibt es selbst für die rauesten Burschen mit den martialischen Tatoos auf kahlrasiertem Schädel kein Halten mehr.
Doch das ist nichts gegen die emotionale Aufwallung übrigens nicht zuletzt auch der Kinobesucher beim bewegenden Requiem für Joe Benoit, dem überall in der Stadt plakatierten Frontman des Chors: der charismatische Fred Knittle, der an Herzinsuffizienz leidet, kehrt ein letztes Mal im Rollstuhl und mit Sauerstoff-Flasche mit Coldplays Fix You auf die Bretter zurück. Diesen Film muß man gesehen haben!
Weitere Empfehlungen
Weiterhin laufen Blind Side Die große Chance in der Filmwelt Herne und Shutter Island im UCI Bochum, wo am Mittwoch, 5. Mai, um 14.30 Uhr auch Maria, ihm schmeckts nicht zu sehen ist. Und in der sonntäglichen Sektmatinee im Bochumer Bermuda-Dreieck-Kino Casablanca werden am 25. Mai jeweils um 13 Uhr Wenn Liebe so einfach wäre sowie Ein russischer Sommer vorgeführt. Im Kinderkino zeigt die Endstation im Bahnhof Bochum-Langendreer am gleichen Tag um 15 Uhr Vorstadtkrokodile 2. Ein Mouseklick auf die farbig unterlegten Filmtitel führt wie gewohnt zu den Rezensionen unseres Film-ABC.