Ein lustiges Buch aus wehmütiger Erinnerung. Wehmut kann lächeln, Trauer nicht. Und so ist die Wehmut das Erbteil meines Standes. Friedrich Torberg über Die Tante Jolesch
Ein weißer Fleck auf der Landkarte der (alt-) österreichischen Literatur nördlich der Alpen: Friedrich Torberg (1908-1979). Sicherlich sind der Name und seine beiden Hauptwerke, die der Autor für Wolfgang F. Henschels Verfilmung mit einer Rahmenhandlung (Fahrt mit dem Taxi durch Wien, Abstecher nach Prag) versehen hat, einem kleinen Kreis interessierter, wenn nicht gar austriaphiler Germanisten, Claudio Magris- oder Hilde Spiel-Fans geläufig. Aber bekannt in den seltensten Fällen.
In den zwanzig Jahren zwischen 1918 und 1938 hat Torberg eine Zeit erlebt, die aus den Fugen geraten war: Der Untergang des Kaiserreiches, der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, die kurze Spanne der österreichischen und der tschechoslovakischen Republik sowie deren Untergang durch die Machtergreifung der deutschen Nationalsozialisten, welche den Juden Torberg in die amerikanische Emigration zwangen.
Eine Zeit, wie Torberg bekennt, in der er zu denken, zu sehen und zu schreiben gelernt hat. Eine zum Untergang verurteilte Epoche, sodaß er die zwei Jahrzehnte als Geschenk der noch verbliebenen Zeit begriff und vielen Weggenossen ein (literarisches) Denkmal gesetzt hat, allen voran der Herrenhof-Kaffeehausrunde um Egon Friedell, Anton Kuh, Alfred Polgar und Joseph Roth.
Käuze und Originale, so Torbergs Fazit, sterben aus in der neuen Welt, die aus den Trümmern des Faschismus entstanden ist nach dem Zweiten Weltkrieg und in die Torberg offenbar nur als Gast zurückkehren konnte. Anders als etwa Hilde Spiel, die als Wiener Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in das neue Leben ihrer alten, wenn auch stark veränderten und erheblich kleiner gewordenen Heimat eintauchte, um es dann selbst nicht unwesentlich mitzugestalten.
Wolfgang F. Henschels szenisch oder zumindest dialogisch aufbereiteten Torberg-Geschichten und Anekdoten, eine zum Glück nur in Maßen nostalgische Zeitreise in die kakanische Vergangenheit der Alpenrepublik, spielen an historischen Orten, aber in völlig verändertem Ambiente. So mußten die im heute völlig verhunzten Cafe Herrenhof spielenden Szenen im Bräunerhof gedreht werden, immerhin das Stammkaffeehaus des größten österreichischen Dramatikers der Nachkriegszeit, Thomas Bernhard. Und die Besetzung ist erstklassig von Adrienne Gessner und Guido Wieland über Johanna Sklenka und Franz Marischka bis hin zum Burg-Star Fritz Muliar. Und als rasender Reporter Egon Erwin Kisch dabei: Muliars junger Ensemble-Kollege Robert Meyer.
Friedrich Torberg (Buch) nach seinen Romanen Die Tante Jolesch und Die Erben der Tante Jolesch, Wofgang F. Henschel (Regie)
Die Tante Jolesch oder: Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten
Neue Thalia Film Wien c/o ORF, ZDF Österreich 1978