Frau: Ich könnte einen Löffel nehmen und in deine Augenhöhlen pressen. Genau hier. Über dem Wangenknochen. Deine Augen würden tränen. Deine Tränen würden meinen Löffel füllen. Und wenn deine Augen letztendlich rausspringen, würden sie in meinem Löffel landen und dabei leise ... platschen. Wie ein Goldfisch, der sich plötzlich in seinem Glas umdreht.
Mann: Du übertriffst dich heute selbst.
Mit "Tender Napalm" hat das Prinz Regent Theater Bochum eine deutschsprachige Erstaufführung von Philip Ridleys sprachgewaltiger Beziehungstragödie auf die Bühne gebracht, Premiere war am 18. März 2017.
Ein Mann und eine Frau. Eine Beziehung am Scheideweg. Ein Verlust, über den man nicht hinwegkommen kann. Das sind die Zutaten, aus denen der britische Autor Philip Ridley ein Theaterstück kreiert hat, das den Zuschauer nach Hause begleiten wird. Bereits 2011 in London uraufgeführt, hat Kerstin Sommer nun exklusiv für das Prinz Regent Theater in Bochum die erste deutsche Fassung des Stücks vorgelegt, in der Corinna Pohlmann und Ronny Miersch die Hauptrollen spielen.
Regisseur Frank Weiß braucht nicht viel um seine beiden Darsteller und den Text in Szene zu setzen. Bühnenbild und Kostüme sind äußerst minimalistisch gehalten und bieten dem Publikum keinerlei Ablenkung vom Eigentlichen. Und das ist vielleicht das Problem des Stücks. Ohne Frage erzählt Ridleys Text eine hochemotionale Geschichte, die einen anrührt und mitreißt, aber die Entscheidung, sich derart auf den Text zu konzentrieren, offenbart eben auch dessen Schwächen.
Zwar versteht es Ridley mit der Sprache wunderschöne und poetische Bilder zu malen ("Ich wäre wie ein ...wie ein Baum mit lauter Tauben, der seine gurrenden Äste um dich legt"), aber an so mancher Stelle bleiben die Beweggründe der Charaktere unverständlich. Das ständige Schwanken zwischen Liebe und Hass stellt das Stück wirkmächtig zur Schau und auch die hochemotionalen Szenen, die sich mit dem Verlust beschäftigen, gehen unter die Haut.
Wenig überzeugend sind dagegen die aus verbalen Gewaltergüssen bestehenden Sexualfantasien, welche die beiden austauschen. In der Geschichte eines Paares, das verzweifelt versucht, an der einen großen Liebe festzuhalten, wirkt die plötzlich auftauchende und genauso schnell wieder verschwindende Wollust eher befremdlich und deplaziert.
Auch das Ende des Stücks, empfohlen für Besucher ab 16 Jahren, kann nicht wirklich überzeugen. Die Inspiration der Welt voller Fabelwesen und Fantastischem, in der das Paar sich bewegt, stammt letztendlich von einer Ansammlung verschiedener Statuen auf einer Gartenparty. Eine tiefergehende psychologische Erklärung hätten sowohl die Zuschauer, als auch das Stück selbst verdient.
Von Anfang bis Ende grandios ist die schauspielerische Leistung von Corinna Pohlmann ("Peer Gynt", "Kein Licht") und Ronny Miersch, das langjährige Ensembemitglied des Schauspielhauses Bochum gibt sein PRT-Debüt, die alle emotionalen Register ziehen und sich das Stück dabei ganz zu eigen machen. Äußerst glaubwürdig in ihrer Trauer, Liebe und Verzweiflung, lassen sie den Zuschauer mit nur einem Wunsch zurück, den das offene Ende des Stücks weder erfüllt noch verwehrt: ein Happyend.
Miriam Zumbusch
Philip Ridley
Tender Napalm
Prinz Regent Theater Bochum