Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?
Thomas Bernhard
Der 1959 geborene Norweger Jon Fosse zählt mit seinen Romanen, Novellen, Kinderbüchern und Theaterstücken wie „Der Name”, „Da kommt noch wer”, „Traum im Herbst” und „Die Nacht singt ihre Lieder”, inzwischen auch von Romuald Kamakar verfilmt, zu den wichtigsten europäischen Gegenwartsautoren.
Nach Matthias Hartmanns fulminanter Inszenierung von „Winter” mit Dörte Lyssewski und Ernst Stötzner im Mai 2002 hat Dieter Giesing das neue Stück „Schönes” am 29. November 2003, erneut als Deutschsprachige Erstaufführung, im Schauspielhaus Bochum herausgebracht – in einem magischen Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann.
Jon Fosse erweist sich auch in seinem neuen Stück als Meister der kargen Handlung, als minimalistischer Sprach-Komponist. In seiner „Partitur” kommt es nicht auf viele Worte an, sondern gerade darauf, was unausgesprochen bleibt.
So im Verhältnis der beiden Jugendfreunde Geir (Burkhart Klaußner, nach Giesings „Auf dem Land” - Inszenierung erneut umjubelter Gast in Bochum) und Leif (Ernst Stötzner), die sich nach 15 Jahren wiedersehen. So in der Beziehung zwischen Geir und seiner attraktiven Gattin Hilde (Prototyp der frustrierten Ehefrau: Catrin Striebeck), die zusammen mit Tochter Siv (unbeschwert: Julie Bräuning) die Ferien am Fjord, wo auch Geirs Mutter (ganz gutmütiger Familienmensch: Veronika Bayer) lebt, verbringen wollen.
Hilde hatte sich einst in einen so hoffnungsvollen wie langmähnigen Musiker verliebt. Und ist nun nur noch genervt vom selbstzufriedenen Geklimpere „ihres” Musiklehrers, der zwar „auch andere Fächer unterrichtet”, dafür aber alle künstlerischen Ambitionen als Komponist und Gitarrist an den Nagel gehängt hat: Eine treue Beamtenseele, liebenswürdig, aber alles andere als herausfordernd.
So nimmt Hilde eine andere Herausforderung an in Person des in sich gekehrten Leif – und zwischen den beiden so grundsätzlich verschiedenen Charakteren funkt es offenbar sofort, wenn auch, wie bei Jon Fosse üblich, nur zwischen den Zeilen. Doch die gelangweilte, egozentrische, liebeskranke Frau und der wortkarge, nicht nur als Musiker gescheiterte Einzelgänger, der eigentlich schon mit dem Leben abgeschlossen hat, schrecken vor dem letzten Schritt zurück.
Aus dem geplanten mehrwöchigen Ferienaufenthalt wird nur ein kurzer Zwischenstopp. Nur Töchterchen Siv darf noch bei der Oma bleiben und die neue, zarte Freundschaft mit einem Jungen (kleiner Philosoph: Manuel Bürgin) genießen.
Karl-Ernst Herrmann hat ein stark stilisiertes, in magisches, sich ständig veränderndes (Nord-) Licht gehülltes Bühnenbild geschaffen: Zwei schräg gekreuzte Stege, das vordere Ende kragt weit ins Kammerspiel-Parkett hinein. Das “schöne alte Bootshaus” bleibt, ein schwarzer Kubus, Symbol - und dieses Symbol rückt Herrmann fast unmerklich in den Mittelpunkt der Bühne und damit des Geschehens. Hier passiert, was der Text nur vage andeutet.
Dieter Giesings Inszenierung nimmt in der elegischen Fjord-Landschaft rasch Fahrt auf, ohne die besondere Atmosphäre zu unterdrücken oder zu verstärken. Nach 80 Minuten hat die Jugend nach dem ersten auch das letzte Wort – eine für den Autor ungewöhnlich optimistische Sicht. Zumal einmal mehr autobiographische Motive eine Rolle spielen: Jon Fosse galt als außerordentlich musikalisch, bis er im Alter von 14 Jahren, nachdem er mit seiner Band „The Rocking Chair” in seiner nordnorwegischen Heimat einen gewissen Ruf erlangte, schlagartig aufhörte, ein Instrument zu spielen und sich, mit frühen Erfolgen, als Schriftsteller versuchte.
Pitt Herrmann
Jon Fosse
Schönes
Schauspielhaus Bochum