A: Das hier ist eine Geschichte über Luftballons. Luftballons sind geheimnisvolle Gegenstände. Normalerweise bringen sie einem zum Lachen und Staunen.
B: Manchmal aber weint jemand, er weint, weil er Angst vor den Luftballons hat.
A: Wisst ihr eigentlich, wo die Luftballons landen, wenn sie davonfliegen?
Was passiert bloß mit den Luftballons, die sich der Wind schnappt und in den Himmel davonträgt? Und warum fliegen sie überhaupt weg? Wollen sie denn wegfliegen oder können sie es nur nicht sein lassen, wegzufliegen?
Fragen über Fragen, mit denen sich das aufgeweckte Publikum im Kindergartenalter ausgesetzt sieht im Melanchthonsaal an der Königsallee, der intimen Spielstätte des Jungen Bochumer Schauspielhauses unweit der Kammerspiele. Warum sind die Menschen groß und Ameisen klein? Machen Fische eigentlich Pipi?
Roberto Frabettis "Der Luftballonverkäufer", die Neuproduktion hatte am 22. Oktober 2006 im Theater unter Tage noch vor Bezug der eigenen Spielstätte Premiere, nimmt die jüngsten Theaterbesucher ab drei Jahren mit auf eine fröhliche, überraschende und dabei ungemein poetische Reise ins reinste Spielparadies, und das liegt auf dem fernen Planeten der verloren gegangenen Sachen. Und wie das so ist mit Paradiesen, sie sind ständig in Gefahr. Diesmal sind Wespen mit ihren dicken Stacheln im Anmarsch, um sich in den Fundsachen einzunisten.
In dem 2.000 in Bologna uraufgeführten Stück wird die geheimnisvolle Geschichte des Ballonverkäufers Alberto erzählt, dem keineswegs die Luft ausgegangen ist, nachdem er 200 Ballons selbst aufgeblasen hat. Im Gegenteil: Wind ist aufgekommen und hat Alberto samt seiner bunten Ballons davongetragen, hoch über die Stadt, die er alsbald weit hinter sich gelassen hat...
Bunt geht es überhaupt zu bei Karin Moog und Johanna Sembritzki, denen Alberto seine Stimme geliehen hat, und das betrifft längst nicht nur ihr Outfit (Kostüme: Cathleen Kaschperk). Denn in der nur aus drei weißen Stoffbahnen gebildeten Bühne von Rebecca Schley entwickeln die beiden jungen Darstellerinnen ein facettenreiches (Puppen- und Schatten-) Spiel, das selbst die aufgewecktesten und notabene vorlautesten Kids im Publikum ins Staunen versetzt: sie schneiden Grimassen und entlocken den Luftballons die tollsten Geräusche, sie singen und machen Musik auf Keyboard, Quetschkommode und Trompete, sie wirbeln 'mal als Wespenkönigin, 'mal als Lokomotive durch den kleinen Bochumer Theaterkeller.
Martina van Boxen, die Leiterin in Jungen Schauspielhauses, hat dieses tröstliche Stück darüber, daß nichts einfach so verschwinden kann, inszeniert: Eine knappe (Schul-) Stunde lang wird erstmals überhaupt an der Bochumer "Kö" die Phantasie des ganz jungen Theaterpublikums von morgen geweckt.
Pitt Herrmann
Roberto Frabetti
Der Luftballonverkäufer (Il venditore di palloncini)
Junges Schauspielhaus Bochum